Erwartungsvoll, gespannt und voller Vorfreude war ich nach St. Gallen gefahren, doch was ich dort erleben durfte hat all meine Erwartungen um ein Vielfaches übertroffen. Beide Vorstellungen waren grandios, was in erster Linie an zwei überragenden Hauptdarstellern lag: Mathias Edenborn und Olegg Vynnyk, aber auch dem kompletten Ensemble sei ein großes Lob ausgesprochen. Viele namhafte Künstler mit schönen Stimmen gaben dem Stück eine besondere Note.
Die Inszenierung war anders als die, die ich bisher gesehen hatte, doch mir haben die Ideen, die Matthias Davids eingebracht hatte, gut gefallen. Das Bühnenbild war für die kleine Bühne sehr aufwändig und interessant, da ein wenig mit Hintergrundbildern gespielt wurde.
Es gab sehr viele Höhepunkte, von denen mich einige ganz besonders berührt haben. Zunächst war es ein geniales und unbeschreiblich ergreifendes Duett zwischen Olegg und Mathias (Valjean und Javert). Ihre Stimmen harmonisierten sehr gut; beide Darsteller waren hervorragend aufeinander eingestellt und das, obwohl sie erst seit wenigen Shows zusammen spielen. Ich kann nur sagen: Gänsehaut pur!!!
Am meisten gespannt war ich natürlich auf Mathias’ erstes Solo, Sterne. WOW!!! Eigentlich kann man kaum mehr dazu sagen, denn es war unbeschreiblich schön. Seine hohe Baritonstimme kam hier ganz wunderbar zum Tragen. Jedes Wort verwandelte er in Musik und dennoch spürte man die Entschlossenheit dieses Inspektors, den Sträfling Valjean zu finden. Mathias überzeugte im kompletten Stück, schauspielerisch wie auch gesanglich. Seine Freude an der Musik war ihm in jeder Aktion anzumerken. Ich habe ihn eigentlich immer als sehr, sehr guten Sänger erlebt, sei es als Radames in AIDA, als Benvolio in Romeo & Julia oder beim Tanz der Vampire, doch an diesem Wochenende hat er sich nochmals selber übertroffen.
Mathias’ Kontrahent auf der Bühne, Jean Valjean, gespielt von Olegg Vynnyk sollte aber auch nochmals hervorgehoben werden. Wie Mathias, spielte er voller Inbrunst und Hingabe. Die stärksten Passagen waren die, in denen sich die beiden hervorragenden Darsteller gegenüberstanden. Oleggs ausdrucksstärkstes Stück war natürlich Bring ihn heim. Er sang es mit soviel Gefühl und Dramatik, so dass viele Zuschauer ihre Taschentücher hervorholten.
Eine weitere Sternstunde von Mathias war der Selbstmord des Javert. Auch hier konnte er auf ganzer Linie überzeugen. Ich hatte nicht das Gefühl, dass dort ein Schauspieler und Sänger steht, sondern, dass ein innerlich zerrissener Mann keinen Ausweg mehr weiß und dass er zerbricht an diesem Jean Valjean und somit seinem Leben ein Ende bereitet.
Drei Stunden vergingen wie im Fluge und ich kann nur jedem ans Herz legen, sich diese Inszenierung von Les Misérables in St. Gallen einmal oder auch öfter! anzusehen. Im Übrigen wird Mathias auch im Herbst wieder in der Rolle des Inspektor Javert zu sehen sein.