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Über Mathias

Pressespiegel

02.05.2005 16:55:13
Interview mit Mathias Edenborn
von Beatrix Greif
Ein Heerführer auf Shakespeare´s Spuren
In Wien avancierte er innerhalb kürzester Zeit zum Publikumsliebling. Seine überaus gefühlvolle Darstellung des "Benvolio" im Musical "Romeo und Julia", dem neuen Zugpferd der Vereinigten Bühnen, brachte ihm viel positive Kritik ein.
Dem versierten Musicalpublikum ist Mathias Edenborn natürlich schon länger ein Begriff. Der in Schweden geborene Künstler studierte an der Stockholmer Royal Music Academy. Nach diversen Rollen in seiner Heimat, unter anderem als "Tony" in der "West Side Story" oder "Chris" in "Miss Saigon", kam er im Jahr 2002 nach Deutschland. Sein erstes Engagement führte ihn nach Stuttgart zum "Tanz der Vampire", wo er im Ensemble sowie als Cover "Graf von Krolock" Bühnenerfahrung sammelte. Als weiteres Karrieresprungbrett diente die Europapremiere von "Aida", dem Musical von Elton John und Tim Rice in Essen. Mit der ersten großen Hauptrolle als Heerführer "Radames", der für die Liebe bereit ist zu sterben, wurde er auch über die deutschen Grenzen hinaus bekannt. Wie sich das alles entwickelte und wie ihn die neue Rolle fordert, erzählte uns der sympathische Schwede bei einem Besuch in der österreichischen Metropole.
Wie bist du eigentlich zu diesem Beruf gekommen?
Das ist wirklich schwer zu erklären. Vielleicht war es Zufall oder Bestimmung. Zuerst habe ich Fußball gespielt und in dieser Richtung wollte ich zunächst auch weiter machen. Eines Tages hatte ich das Gefühl etwas anderes tun zu müssen. Ich habe meine Fußballkarriere beendet und Gesangsunterricht genommen. Als ich dann mein erstes Angebot als "Tony" in der "West Side Story" bekommen habe, da wusste ich, dass die Entscheidung richtig war und ich das eigentlich schon immer machen wollte.
Wie sah Deine Ausbildung aus? Mehr im Bereich Gesang oder Schauspiel? Was ist dir wichtiger?
Es war keine Musicalausbildung, vielmehr eine Gesangsausbildung mit Schwerpunkt Schauspiel. Tanzunterricht hatte ich nie. Heute ist mir beides gleich wichtig, deshalb arbeite ich in der Musicalbranche. Ich bin nicht so sehr daran interessiert eine CD aufzunehmen, sondern die Kombination von Gesang und Schauspiel ist es, auf die ich mich freue, wenn ich abends auf der Bühne stehe.
Wie gefällt es Dir in Wien und was sind die Unterschiede zu Essen?
Wien ist eine schöne Stadt mit herrlich alten Gebäuden und Kirchen. Viel habe ich bisher leider noch nicht davon gesehen. Dazu war während der Proben und der ersten Shows noch keine Zeit. Auf alle Fälle ist es hier schöner als in Essen. Das liegt aber auch daran, dass die gesamte Innenstadt von Essen im 2. Weltkrieg zerstört wurde und neu aufgebaut werden musste. In Wien ist alles sehr alt und ursprünglich.
Gibt es Unterschiede zwischen dem Publikum bzw. den Fans in Stuttgart, Essen oder jetzt in Wien? Reagieren die Leute anders?
Nein, eigentlich nicht. Ich habe nur das Gefühl, dass es hier in Wien noch mehr Fans gibt als anderswo. Schon während unseren Proben standen sie vor der Bühnentür. In Essen war das erst am Ende so. In Stuttgart waren es allerdings auch sehr viele.
Harte Probenzeit
Wie anstrengend waren die Proben?
Unglaublich anstrengend. Es sind sehr viele Tanzszenen, und man muss alles gleichzeitig tun, Singen, Tanzen und Schauspielen. An einem 9-Stunden-Probentag hat man normalerweise auch mal größere Pausen, weil etwas geprobt wird, bei dem man nicht dabei ist. Aber hier war das anders. Ich war immer einbezogen und hatte so 9 Stunden effektive Probenzeit, und das 6 Tage die Woche. Unser Regisseur und Choreograph hat uns alles abverlangt.
Wie hast du Dich in Deine neue Rolle eingefunden, auch im Bezug darauf, dass Du ja noch nie getanzt hast?
Eigentlich ganz gut. Beim Tanzen bin ich mir nicht so sicher. Einige meinen, dass ich gut bin und es gut aussieht. Es ist ja die erste lustige Rolle, die ich spiele. Bisher war ich entweder verliebt oder böse. "Benvolio" ist lustig und traurig. Die traurige Seite ist nicht so schwer zu spielen, das kannte ich ja schon aus früheren Rollen. Aber lustig zu sein, dass war eine Herausforderung. Man braucht viel Energie, um auf die Bühne zu gehen und zu lachen, wenn man einen schlechten Tag hat, oder es einem nicht gut geht. Das ist wirklich nicht einfach.
Wie frei darfst du die Rolle gestalten? Die Show ist ja ziemlich durch choreographiert. Hat man da noch künstlerische Freiheit?
Unser Regisseur Redha ist Franzose und war auch schon für Romeo & Julia in Frankreich verantwortlich. Er will jedes Mal eine neue Show auf die Bühne bringen, und deshalb ist das Musical in Wien auch anders. Es sind neue Darsteller, die sich selbst in die Rolle einbringen. Und so wurde "Benvolio" durch mich neu geboren. Wir haben ihn während der Probenarbeit etwas verändert, denn für den Regisseur war es wichtig, dass ein Teil von mir in dieser Figur steckt und es somit ein Mathias – "Benvolio" ist. Was er mir dabei mitgegeben hat, ist, dass "Benvolio" viele Facetten haben muss. Er ist aggressiv und kämpferisch, lustig und leicht, aber auch ängstlich und verschlossen. Ich hatte viel Freiheit, ihn neu zu kreieren, und es waren meine Impulse, die ihn geprägt haben.
Die Rolle des "Benvolio" ist ja sehr emotional. Ist es nicht anstrengend, diese Emotionen jeden Abend zu spielen?
Zum einen schon, aber schwieriger waren die Emotionen bei "Radames". Da war mehr Druck, weil es eine größere Rolle war. Komischerweise ist es bei "Benvolio" so hart von der Physis her. Normalerweise liegt im Musical der Fokus immer auf den Hauptdarstellern - in diesem Fall auf "Romeo" und "Julia". Der Regisseur gibt Anweisung, sich im Hintergrund nicht zu bewegen, um die Aufmerksamkeit nicht auf sich zu ziehen. Die Hauptpersonen müssen im Mittelpunkt stehen, damit der Zuschauer der Geschichte besser folgen kann. Aber hier ist das völlig neu. Hier sagt der Regisseur, lasst das Publikum selbst entscheiden, welcher Geschichte es heute Abend folgen will. So ist jede Person auf der Bühne ein Hauptdarsteller. Es passiert so unglaublich viel zur gleichen Zeit. Deshalb musste ich umdenken und ganz neu umsetzen, was ich bisher als Schauspieler gelernt hatte. Und das war: Weniger macht mehr, sei still und ruhig auf der Bühne, lass deine Gefühle heraus, aber beweg dich nicht zu viel. Das geht hier nicht. Es stehen 30 hervorragende Tänzer mit einem unglaublichen Körperbewusstsein neben und hinter mir. Wenn ich hier nicht groß spiele, sieht man mich als Hauptdarsteller nicht. Das ist etwas völlig anderes. Eine neue Erfahrung, und ich habe unglaublich viel dazu gelernt.
Wie war die Premiere und die Reaktionen des Publikums?
Es war sehr turbulent. Wir hatten am Premierentag ab 9 Uhr morgens Proben. Nach der Show waren wir alle nur müde und erleichtert, dass alles gut gegangen ist und das Publikum begeistert war. Da ist die ganze Anspannung von uns abgefallen.
Intensives Bühnenerlebnis
Wenn du die französische Fassung mit der Wiener vergleichst, wo liegen die Unterschiede?
Es ist das gleiche Stück, aber durch die kleinere Bühne in Wien war es nötig, alles viel kompakter zu gestalten Die Energie bei den Tanzszenen wirkt dadurch viel intensiver. Im Raimundtheater gibt es sehr viele Plätze, auf denen man sehr nah an der Bühne ist. So springt der Funke zum Publikum über. Wir hatten bisher sehr positive Reaktionen.
Sind denn die Texte gut übersetzt? Sprichst du selbst Französisch?
Nein ich spreche kein Französisch, aber die Übersetzungen haben sehr schlechte Kritiken bekommen. Zum Beispiel das erste Lied "Viva Verona" (Vérone), oder "der Hass", im Original "La haine" - das klingt einfach flüssiger und weicher. Französisch ist eine tolle Sprache und sehr schön zu singen. Im Deutschen klingt es viel härter. Das ist es, was eine Übersetzung so schwierig macht.
In Frankreich war kein Orchester vorhanden, die Musik kam vom Band. Wie empfindest du es hier?
Das stimmt, das ist hier besser. Das Wiener Orchester ist super. Ich stehe schon seit 10 Jahren auf Musicalbühnen, und das ist das beste Orchester, das ich bisher gehört habe. Sie sind wirklich unglaublich gut. Das liegt glaube ich an dieser Wiener Kultur und der klassischen Musikausbildung, die eine gute Qualität hat.
Wie gehst du mit Kritik um?
Überhaupt nicht. Ich lese keine Zeitungen nach der Premiere. Darauf habe ich keine Lust. Für mich sind die Kritiken immer Schwarz oder Weiß. Entweder ich bin der Beste der Welt, oder der Schlechteste der Welt, es gibt keine Grauzone. Wenn ich so etwas lese, finde ich es immer furchtbar. Das gibt es nicht, dass man nur schlecht oder nur gut ist, und deshalb machen mich solche Berichte traurig.
Und Kritik vom Choreograf oder Regisseur?
Die muss man ja annehmen, sonst würde man nicht dazu lernen. Es ist trotzdem schwer zu akzeptieren, wenn der Regisseur sagt, dass Du nicht gut seist. Aber wenn er sagt, ich denke mir, das könntest du besser machen, und man spürt, er möchte mir etwas beibringen und hilft mir, dann ist das in Ordnung. Es kommt darauf an, wer es ist und wie er es sagt.
Noch einmal zurück zu "Aida". Du hast ja schon gesagt, dass du bei dieser Rolle mehr Druck gespürt hast. Wie hast du die Zeit dort empfunden?
Es war eine große Herausforderung und eine tolle Rolle, die ich sehr geliebt habe. "Radames" hat sehr viel von mir. Er ist ein Krieger, der sich durch die Liebe zu einer Frau verändert. Bei mir war es die Veränderung vom Fußballspieler zum Musicaldarsteller. Bei so einer großen Rolle geht man durch verschiedene Phasen. Manchmal war ich sehr verunsichert, aber so lernt man sich selbst besser kennen. Es war eine gute, aber auch harte Zeit, in der ich viel gelernt habe.
In "Aida" wird ja auch das Thema Wiedergeburt angesprochen. Wie stehst du zu diesem Thema? Glaubst du daran?
Ja, weil ich das glauben möchte. Als ich zehn Jahre alt war hatte ich sehr viel Angst zu sterben oder dass Leute um mich herum sterben. Da hat meine Mutter mir erzählt, dass es ein Leben nach dem Tod gibt. Um daran zu glauben, gab sie mir ein Beispiel. Du hast im Leben immer wieder die Möglichkeit zu wählen. Du gehst entweder nach rechts oder nach links. Welcher Weg der richtige ist, sagt dir dein Gefühl. Genauso ist es mit dem Leben nach dem Tod. Fühlst du dich besser, wenn ich sage nach dem Tod ist es schwarz und alles ist zu Ende oder wenn ich sage, es kommt ein Paradies und du lebst weiter. Du entscheidest dich nach deinem Gefühl und schon hast du deine Antwort. Es ist viel schöner daran zu glauben als nicht.
Vermisst du Deine Heimat?
Ja sehr.
Hast du noch regelmäßig Kontakt zu Freunden und Kollegen aus Schweden?
Nicht sehr viel. Alle Freunde in Schweden haben Familien und führen ein anderes Leben als ich. Manchmal telefonieren wir, aber nicht sehr oft. Diese Kontakte habe ich leider fast ganz verloren.
Gibt es etwas typisch Schwedisches, das du hier vermisst?
Schwedische Zeitungen zum Beispiel. Es gibt in Schweden wie in Amerika Seven Eleven, das ist ein rund um die Uhr geöffneter Laden, in dem man Essen, Tabak oder Zeitungen kaufen kann. Mein Ritual um 10 Uhr morgens ist ein Kaffee, ein Sandwich, mein schwedischer Tabak und eine schwedische Zeitung. Das ist ein Stück Heimat, und das vermisse ich hier. Und natürlich meine Sprache. Es gibt leider sehr wenige schwedische Kollegen, in Wien überhaupt niemanden. Bei "Tanz der Vampire" hatte ich da mehr Glück.
Freunde und Kollegen sind die eine Seite, aber wie schwierig ist es in dieser Branche eine Beziehung zu führen?
Eine Fernbeziehung zu führen, ist immer schwierig, nicht nur in dieser Branche. Meine Freundin und ich arbeiten beide auf der Musicalbühne. In diesem Beruf ist es leider oft nicht möglich, in der gleichen Stadt einen Job zu finden. Vielleicht klappt es in naher Zukunft auch mal, wer weiß. Es ist natürlich schwer, sich jede dritte Woche nur ein oder zwei Tage zu sehen. Man muss einfach daran glauben, dass es funktionieren wird.
Was machst Du, wenn du nicht im Theater auf der Bühne stehst, wie verbringst Du deine Freizeit?
Ich gehe sehr gerne Essen, entspanne in einem Wellnessbereich, oder bleibe einfach Zuhause und sehe mir DVD´s an. Ich spiele gerne Tennis und Golf. Besonders beim Golf kann man alles zurück lassen. Man geht 4 Stunden auf der Golfanlage spazieren, das genieße ich.
Hast du eine Traumrolle, die Du gerne spielen möchtest? Wenn ja, welche?
Den "Jean Valjean" in "Les Misérables", das war schon immer so. Vom Gesang ist es einfach die schönste Rolle. Oder den "Robert" in Sondheims "Company"". Das ist ein Musical mit Geschichten wie in der Serie "Sex and the City". Die "Carie Bradshaw" ist in diesem Fall ein Mann und der heißt "Robert". Es dreht sich alles um die Frage, wie viel eine Beziehung wert ist. Manchmal ist Sondheim ein bisschen schwierig, aber nicht bei diesem Stück. Die eingängigen Melodien sind wirklich sehr gut geschrieben.
Wie sehen Deine Zukunftspläne aus? Möchtest Du irgendwann zurück nach Schweden?
Im Moment habe ich keine Zukunftspläne, ich muss einfach abwarten. Jetzt bin ich in Wien, und was morgen kommt, kommt morgen. Ich habe keine Pläne, da ich mich ja immer wieder für ein neues Stück bewerben muss. Wer weiß, vielleicht bekomme ich im nächsten Jahr etwas in Prag. Vielleicht verliere ich auch meine Leidenschaft zum Musical und möchte etwas ganz anderes machen. So war es auch mit dem Fußball. Ich habe zunächst daran geglaubt, dass ich Fußballer werde, und dann kam es ganz anders. Das kann sich alles ändern. Ich habe bei Romeo und Julia erst mal einen Jahresvertrag. Ein Jahr Tanzen ist dann vielleicht auch genug….