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Pressespiegel

25.02.2005 23:26:59
Shakespeare-Schlager-Show
Kurier, Wien
Shakespeare-Schlager-Show
KRITIK  Banale Texte, seichte Melodien: Musical "Romeo & Julia"
VON GUNTHER BAUMANN
Entkernen: So nennt man das in der Architektur. Soll ein altes Haus ein neues Innenleben bekommen, wird das Gebäude entkernt. Übrig bleibt nur die Fassade.

Im Raimundtheater ist jetzt die Entkernung eines Bühnenklassikers zu beobachten. Shakespeates "Romeo & Julia" mutiert im Musical des Franzosen Gerard Presgurvic zur ziemlich schlappen Schlager-Show.

Gewiss: die Fassade steht. Da sind die verfeindeten Familien der Capulets und der Montagues, da sind Romeo und Julia, die ihren Glauben an die Kraft der Liebe mit dem Leben bezahlen.

SPURENSUCHE Nur der Kern der Geschichte, der fehlt. Keine Spur von Shakespeare'scher Poesie und Leidenschaft. Keine Spur auch vom vielschichtigen Zauber der Musik Leonard Bernsteins, der die Tragödie als "West Side Story" fürs Musical neu erfand. Statt dessen nur glattgestrichener und durchgeschmalzter Allerwelts-Pop. Und ein Textbuch, das aller Feinheiten fein säuberlich beraubt wurde.

Das tut niemandem gut. Nicht dem Publikum, das nach einer Anfangsoffensive voll Chorgesang und furiosem Tanz bald Gelegenheit bekommt, sich ausgiebig
zu langweilen. Und nicht den Und nicht den Hauptdarstellern.

Da trifft ein "Von Frauen oft begehrt / bin ich mit 20 Jahren"-Romeo auf eine "Ich hab noch nichts erlebt / und vieles weiß ich kaum"-Julia. Ist das "Einmal wird die Sehnsucht enden / wenn
teilt sie zur Karikatur, zur Eindimensionalität.

So trifft man hier auf Liebende, die sehr jung und nett und auch sympathisch sind. Doch vom Feuer in ihren Seelen ist wenig zu spüren.

Der Hang der Aufführung
four mit artistischer Bravour.

Tempo ist in der Show freilich Mangelware. Je mehr das Drama zur Tragödie wird, um so dicker tropft das Schmalz aus den Liedern.

Das Musical, das einen jungen, modernen Blick auf den Klassiker werden will, wirkt gerade in der Musik höchst altmodisch. Gerard Presgurvic zitiert aus vielen
F A Z I T
Stück Das Musical, reich an altmodischem Pop, ist inhaltlich ein schwacher Abklatsch des Klassikers.
Inszenierung Redha Benteifour sorgt für spektakulären Tanz.
Ensemble Die Darsteller lassen mit artistischem Elan viele Schwächen des Stücks vergessen.
Pop-Stilen - ausgenommen jenen, die in der Gegenwart den Ton angeben. Wenn dann die Stromgitarren von den Geigen niedergedröhnt werden und umgekehrt (Orchestrierung: Christian Kolonovits), entsteht oft konturloser Klangbrei.

Das Orchester unter Caspar Richter spielt das, was in den Noten steht, in fehlerloser Professionalität. Solisten wie Carin Filipcic oder Mathias Edenborn holen das Maximum aus ihren Liedern. Doch der Gesamteindruck ist flau: Ein Musical ohne Witz und Raffinesse.

Bild:
AP/Stephan Trierenberg

Marjan Shaki singt im Raimundtheater die "Julia"
wir uns doch fänden"-Schmachten vorbei, bekommen sie Verse wie diese zu singen: "Ich fühle mich dem Himmel nah / ich liebe meine Julia" bzw. "Die Sterne wissen's ebenso / ich liebe meinen Romeo".

Dann ist's bald aus mit der schönen Zeit: "Ich hör' die Lerche singen / und uns zum Abschied zwingen".

Was sollen Darsteller mit solchen unfreiwillig komischen Platitüden (Übersetzung: Michaela Ronzoni) anfangen ? Lukas Perman, der Romeo, und Marjan Shaki, die Julia, können sich die Seele aus dem Leib spielen - das Buch verur-
zur Karikatur wird schon in der Optik (Bühne: Duncan Hayler) deutlich. Shakespeares Verona ist hier eine Ansammlung von hohen Schornsteinen mit Balkon. Wenn die Jugend der Stadt durch die Straßen flaniert, geht's dort zu wie einst in der South Bronx: Die Begegnungen der Capulets und der Montagues erinnern an zünftige Straßenschlachten.

BRAVOURÖSER TANZ Doch es sind gerade diese Massenszenen, die den stärksten Eindruck hinterlassen. Ein glänzendes Ensemble bewältigt die tempogeladenen Choreo- grafien von Redha Bentei-