Romeo & Julia: |
Liebe als poppiges Märchen |
VON ISABELLA WALLNÖFER (Die Presse) 26.02.2005 |
"Romeo und Julia": Aus Shakespeares Liebesdrama wird in der Musical-Version ein lautstarkes Spektakel - mit einer übermächtigen Bühnen-Show, aber ohne poetischen Feinsinn. |
|
Er habe, so Gérard Presgurvic, Autor und Komponist des Musicals "Romeo und Julia", der Story "alles Pseudopoetische oder Retardierende" genommen. Und so sah sich das Premieren-Publikum, das an diesem Donnerstag geschneuzt, gekämmt und gut gelaunt bei Prinzipalin Kathrin Zechner zu deren Einstand im Raimundtheater aufmarschiert war, einem inszenierten Spektakel und opulenten Tanz-Szenen gegenüber, musste aber auf feinsinnige Poesie und literarische Glückseligkeit verzichten. Das Ensemble wurde erst nach zwei Zugaben und Standing Ovations zur Premierenfeier entlassen. |
|
Von Shakespeare ist nichts übrig. Von Verona auch nicht. Wer je dort gewesen ist, wird das kunstsinnige Flair dieser Stadt auf der von drehbaren Vielzweck-Türmen besetzten Bühne schwer vermissen. Da kann das Ensemble noch so lauthals "Wie war Verona?" singen - es war nicht da. Also besser: Keine romantischen Erwartungen und keinen Hang zur historischen Treue (etwa auch bei den Kostümen) mitbringen. |
|
Es dominieren die besagten Türme, die sich als äußerst geschickte Attrappen erweisen, weil sie sich je nach Bedarf drehen und wenden lassen und einmal Julias Himmelbett-Kemenate, ein andermal die mit Kerzen ausstaffierte Kapelle oder das herrschaftliche Wohnzimmer freilegen und dabei noch geheime Türen und Zugbrücken für variantenreiche Auf- und Abtritte beherbergen. Und es dominiert der Straßenkampf, der in ausgedehnten Tanz- und Akrobatik-Szenen dramatisiert, choreografisch sehr dynamisch und artistisch anspruchsvoll in Szene gesetzt wird. Aus den im Clinch liegenden feinen Veroneser Familien werden in der Regie von Redha Benteifour zwei Street-Gangs, die bei jeder Gelegenheit wie eine wilde Horde Affen übereinander herfallen (sich kratzen, beißen, anspringen und zur Abschreckung des Feindes mit den Haaren wedeln). Man kennt ein solches Aufeinanderprallen zweier aufmüpfiger Grüppchen aus dem Parade-Musical "Westside Story" (musikalisch übrigens kein Vergleich!) und fühlt sich dennoch irritiert: Denn hier wird der Straßenschlacht weit mehr Raum zugestanden als der nachvollziehbaren Inszenierung der Entstehung der größten Liebe der Literaturgeschichte. |
|
Marjan Shaki ist die blutjunge, hell und klar klingende Julia. Lukas Perman ist ein Softie von einem Romeo mit einem auch akustisch hörbaren Talent zum Schmachten. Woher die zarten Bande plötzlich kommen, die die beiden immerhin in den Tod treiben, damit halten sich Presgurvic/Benteifour nicht weiter auf. Die Figuren mit nachvollziehbarer Emotion auszustatten ist den beiden Hauptdarstellern nicht vergönnt. Die Texte klingen flach. |
|
Gut aufgestellt ist das Ensemble. Alle sind von der Inszenierung tänzerisch und gesanglich gefordert und meistern das ohne Mühen. Carin Filipcic (Amme) sticht mit einer festen, fein timbrierten Stimme hervor; Matthias Edenborn ist ein manchmal recht außer Atem scheinender, mit Entertainer-Talent ausgestatteter Benvolio; Mark Seibert (Tybalt) besticht mit seiner germanisch-athletischen Gestalt. Kostümbildnerin Dominique Borg hat sich bei den Modetrends zwischen Renaissance und Futurismus bedient. Die Charaktere der Kostüme changieren zwischen gepuderter Reifrock-Romantik und Klingonen-Drapierung. Eine hippe Mischung, die mit der poppigen Inszenierung ebenso harmoniert wie das Bühnenbild von Duncan Hayler
. |
|
Schade, dass Romeo und Julia von den dröhnenden Beats der teilweise heftig über die Szenerie brandenden lautsprecherverstärkten Geräuschkulisse mitunter fast erschlagen werden. Manchmal liefern sich das voll klingende Orchester der Vereinigten Bühnen Wien und die Sänger einen Wettstreit um die akustische Vorherrschaft, was mehr an ein Schreiduell denn an Gesang erinnert. Die Musik will nicht ins Ohr, keine Melodie bleibt erinnerlich. Es ist eben eine märchenhafte Pop-Show, die nur als actionreiches Live-Spektakel zur Wirkung kommt. |